Papierblatt – Holocaust-Überlebende berichten

Mordechai Papirblat

Das Buch unseres Namensgebers bezeugt auf 548 Seiten die erschütternden Ausmaße, die Hass und Antisemitismus annehmen können. An der Seite von Mordechai Papirblat erfährt man, was er vom Vorabend des Zweiten Weltkrieges im August 1939 bis zu seiner Flucht vom Todesmarsch im Februar 1945 erlebt, erlitten und überlebt hat. In Zeiten, in denen das Wissen um den Holocaust abnimmt, ist dieses Vermächtnis wichtiger denn je.

Mordechai Papirblat

900 Tage in Auschwitz
Tagebuch eines Holocaust-Überlebenden

Edition Papierblatt Band 1
Wildberg 2020
ISBN 978-3-9451-7817-1

Mordechai Papirblat wäre im April 2023 hundert Jahre alt geworden, er starb Ende Dezember 2022. An seinem Leben lässt sich beispielhaft ein Jahrhundert Geschichte studieren: Das jüdische Leben in Polen vor dem Holocaust, während dem Holocaust (Ghetto, Konzentrationslager, Todesmarsch) und nach dem Holocaust; aber auch seine illegale Einwanderung in Palästine/Erez Israel, die Vorgeschichte der Staatsgründung Israels, die Herausforderungen, die ein Holocaust-Überlebender und Neuweinwanderer bewältigen muss, seine Berufsfindung und Familiengründung in Tel Aviv, sowie seine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte und sein Engagement als Zeitzeuge des Holocaust.

Zusatzmaterial zum Buch

Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
Papierblatt crossmedial 13
Geleitwort zur deutschen Ausgabe 15
Warschau – der Krieg beginnt 21
Ende August 1939 21
Donnerstag, 31.8.1939 21
Freitag, 1.9.1939 23
Schabbat, 2.9.1939 26
Sonntag, 3.9.1939 27
Mittwoch, 6.9.1939 27
Donnerstag, 7.9.1939 28
Freitag, 8.9.1939 30
Rosch Haschana, 14.9.1939 30
Jom Kippur, 22.9.1939 31
Montag, 25.9.1939 31
27.9.1939 33
28.9.1939: Kapitulation 33
30.9.1939 34
1.10.1939 36
3.10.1939 36
Unter deutscher Besatzung 39
5./6.10.1939: Der Weg nach Radom 43
Oktober/November 1939: In Radom 52
6./7.12.1939: Rückkehr nach Warschau 53
Winter 1939/1940: Antijüdische Maßnahmen 54
Sommer 1940 – Jablonow 57
Ghetto Warschau 59
Pessach 1941 61
Mitte April 1941 63
Flucht nach Jablonow 67
Mit dem Dampfschiff nach Regow 76
Deutsche Soldaten berauben die Passagiere 80
Zu Fuß nach Jablonow 83
Auf dem Land – in Jablonow 87
Ankunft in Jablonow 87
Typhus 97
Sommer 1941 99
Mein letztes Treffen mit Mutter 103
Trennung von Brüdern und Schwester 107
Oktober 1941: Besuch in Radom 108
Oktober 1941 110
Dezember 1941 111
28.12.1941: Befehl zur Übersiedlung ins Ghetto 111
Ghetto Garbatka 113
1.1.1942 113
Februar 1942 115
März 1942 117
April 1942 118
Mai 1942 120
Schawuot 1942 121
Juni 1942 122
Juli 1942 123
12.7.1942: Jagd auf Polen 125
Der Weg ins Nichts 126
13.7.1942 130
Auschwitz: »Arbeit macht frei« 133
14.7.1942 135
Häftling 46794 137
Mittwoch, 15.7.1942 140
Donnerstag, 16.7.1942 143
Freitag, 16.7.1942 146
Schabbat, 18.7.1942 150
Ende Juli 1942 151
Ende August 1942 151
Anfang September 1942 152
Mitte September 1942 153
Ende September 1942 154
Der Kampf ums Brot 156
Kartoffelberge sortieren 157
Hoffnungslosigkeit und schwere Zwangsarbeit 160
Anfang Oktober 1942 163
Die zweite Oktoberhälfte 1942 168
Arbeitsverweigerung 171
Ende Herbst 1942 175
Selektion 176
Die Straße nach Bielsko 181
Baugehilfe 183
Ein mit Diamanten besetztes Taschenmesser 184
Zwischen Stacheldrahtzäunen – eine merkwürdige Strafe 187
Winteranfang 1942 190
Zum zweiten Mal Typhus 191
Neue Transporte 193
Der Brotdieb 194
Schwarzmarkt im Lager 195
Strafappell: Der alte Jude 197
Januar 1943 199
Auschwitz-Birkenau 201
Auf dem Weg nach Birkenau 201
Januar 1943: Erste Nacht und erster Tag in Birkenau 203
Der erschreckende Anblick der Häftlinge 206
Die Krematorien 208
Auf der Suche nach einer neuen Arbeit 210
Straßenbau für die SS 212
Die nächste Hinrichtung 214
Kapo Stefan 217
Weiße Schwäne in Harmense 219
Teiche zur Aufzucht von Karpfen 221
Arbeitseinteilung 221
Mein Versuch, Stefan zu entkommen 223
Experte im Beladen 224
Frühjahr 1943: Experte für Grasflächen 226
Mosche Jakobsons Geschenke 227
Erschießung im Wald 228
Die Ankunft der Juden aus Griechenland 230
Alle Häftlinge werden ausgetauscht – bis auf mich 232
Vorarbeiter und Dolmetscher 233
Der Block von Elieser Grinboim 234
Zurück in Block 5 237
Der Besuch des älteren Herrn 238
»Flucht« des polnischen Häftlings 239
Von Block 5 nach Block 4 242
Besuch der »Schickse« 243
Zum Koch ernannt 244
Besuch einer SS-Abordnung 246
Griechischer Rabbiner in Birkenau 247
Der »Schejgez« 248
Der Bau eines neuen Lagers 248
Tötung eines Spitzels 250
Arbeit in einem Dorf 251
Hausmannskost 253
Hühnerjagd 255
Bestrafung von vier Häftlingen 256
Bittere Ernte 257
Krankmeldung bei Stefan 258
Birkenau 2 – das neue Lager 261
Tschechische Juden 262
Im Konzentrationslager der Frauen 263
Nichtdeutsche SS 263
Mordechai Kravel – Kommando Krematorium 264
Pflege der Teichanlagen 268
Unterstützung durch weibliche Häftlinge 268
Ermordung des »Flüchtigen« 271
Ich führe das Kommando zum Krankenbau 272
Ein Häftling fehlt 274
Neue Selektionen 276
Zur Vernichtung verurteilt 279
Überlebensstrategie 280
Herbst 1943 280
Karpfenfang 281
Der »Karpfenschmuggler« 282
Große Säuberungsaktion 283
Judentransport aus Lodz 283
Zurück ins Warschauer Ghetto 285
Nächtliche Schüsse 286
Ein Transport mit jüdischen Touristen 286
Die Neuankömmlinge leisten Widerstand 287
Der Aufstand wird niedergeschlagen 289
Dicke Suppe, wässrige Suppe 290
November 1943 291
Vom SS-Offizier erwischt und bestraft 292
Wieder bestraft 293
Rückkehr in den Block 295
Block 31: Im Exil 296
14. November 1943 297
Ich verlasse Birkenau 298
Ein zweites Mal in Auschwitz 299
Die Konfiszierung des Taschenmessers 301
Waschen und Desinfizieren 301
Wir verlassen Auschwitz 303
Arbeitslager Neu-Dachs 305
Die Fahrt ins Ungewisse 305
Ein Lager im Aufbau 307
EVO 309
Kapo Hans 311
Polnische Häftlinge aus Radom 313
Die Verteilung von Brot und Suppe 315
Die Mülltonne 316
Diener 316
Ein neuer elektrischer Zaun 317
Der »Boxer« 319
Erhängungen 320
Der Ausbruchsversuch 322
Firma Feine 324
Briefeschreiben als »Lebensunterhalt« 325
Wasser für Brot 326
Auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz 327
Eine neue Idee: Besenbinder 327
Musterwerkstatt 328
»Einer für alle – alle für einen« 329
Stockschläge 330
Die Stulle: Ein Geschenk des Himmels 333
Die Besenwerkstatt wird geschlossen 334
Lieferung der Transformatoren 334
Freunde und Bekannte 335
Frühjahr 1944: Deutsche Niederlagen und russische Bombardierungen 338
»Gleisbau« und Einebnung eines Hügels 339
Der elektrische Zaun als »Ausweg« 340
Rottenführer Lausmann 341
Eine neue Aufgabe – Kohleträger 343
Tabakhandel 345
Schwarzmarkt bei den Latrinen 346
Wahrsager 347
Die letzte Mahlzeit vor dem »Fasten« 347
Der Hund: Futterdiebstahl 350
Sommer 1944: Einzäunungsarbeiten 351
Der Suppenkessel: Ein Schatz! 352
Suppenkessel spülen 353
Erwischt! 354
Die Strafe – Hocke und Stein 356
Eine weitere Strafe: »Plischke« 358
Loren werden beladen 358
Und noch einmal: Umzug in Block 6 359
Eine zerknitterte Bettdecke 360
Ich spreche: Ungarisch 361
Walters Inspektion 362
Zurück zu den Suppenkesseln 364
Britische Kriegsgefangene 364
Kommandant Emil Ziech 365
Spätsommer 1944 367
Kaffee für die SS 368
Leon Latrowski 369
Kontrolleur der Arbeitskommandos 370
Bombardierung des Fabrikgeländes 372
September 1944 374
Kol Nidre 375
Aufstand des Sonderkommandos 377
Rückkehr des Kontrolleurs 378
November 1944: Kaffeeausgabe hinter den Zäunen 380
Gespräch mit einem Offizier 381
Ich werde beschossen 381
Holzkohle statt Benzin 382
Ich hatte es befürchtet 383
Suche nach den Flüchtigen 384
Lagerkommandant Fischer ermittelt 385
Mit leeren Händen 386
Drei Tage – und noch immer nicht gefasst 388
Die Häftlingskleidung der Flüchtigen wird endlich gefunden 388
Invasion in der Normandie 389
Die Flucht aus Gleiwitz 390
Umzug in Block 1 390
Pinchas Szlomowicz: Blockältester 391
Gesangverein 393
Die Kantine – Suppe und Zigaretten 394
Krakauer Zeitung – Umzäunung des Weges 395
Dezember 1944: Gusteks »Versprechen« 396
Neujahrsfeier 1944/1945: Das Granda-Ensemble 397
Die Front rückt näher 398
Dienstag, 16.1.1945 399
Zerstörung des Lebensmittellagers 400
Mittwoch, 17.1.1945 401
Acht Tote – letzter Arbeitstag 402
Todesmarsch 405
Nächtlicher Generalappell 406
Wir verlassen Jaworzno 407
Das Klappern der Holzschuhe 408
Die Straße von Krakau nach Kattowitz 409
Liquidierung des Krankenbaus 410
Donnerstag, 18.1.1945 411
Die letzten Ostjuden 412
»Rast« in Laurahütte 413
Der Tod von Pinchas Nossel 415
Nachts durch Bytom (Beuthen) 416
Schneeball statt Essen 417
Freitag, 19.1.1945 418
Der Marsch durch Gleiwitz 419
Fliehen ist unmöglich 420
Die Nacht zum 20.1.1945: In die Lagerhalle gepfercht 422
Kampf um Brot 423
Schabbat, 20.1.1945 424
Verteilung der »Suppe« 424
Wir werden bombardiert 425
Austrittserlaubnis 427
Begegnung mit Freunden 427
Ein Schlag mit dem Gewehrkolben 428
Katjuscha-Hagel 430
Rutschiger Schnee 431
Kugelhagel im dichten Wald 432
Das Dorf am Waldrand 433
Schwitzen trotz Kälte 434
»Halt!« 435
»Hinlegen!« 436
Die Rasur von Emil Ziech 437
Siehe, es war ein Traum 439
Sonntag, 21.1.1945 440
Erfrorene Häftlinge 440
»Aufstehen! Antreten! Marsch!« 441
Es erwischt selbst die »Gesunden« 443
Pessach Jamnik 444
Arbeitslager Blechhammer 445
Die Erschießung von Essensdieben 445
Hunger an erster Stelle 447
Montag, 22.1.1945 447
Die »Beute« und der Tod 448
Das Krematorium in Blechhammer 449
Wieder Appellstehen 450
Die »Kräftigen« verlassen das Lager 451
Ein Loch in der Lagermauer 452
Lichtenstein 453
Meine Gedanken zum Überleben 455
Block 1 steht in Flammen 456
Die Flucht 457
Im Dickicht des Waldes 458
Zwanzig Mann auf der Flucht 459
Hundegebell 460
Rückkehr der Kundschafter 461
Die Gruppe teilt sich 462
Aufteilung in drei Gruppen 462
Über einen zugefrorenen Fluss 463
Singende Jugoslawen 464
Die Scheune auf dem Feld 465
Versteck im Stroh! 466
Wir treffen die zweite Gruppe in der Scheune 466
Ein kleines Stückchen Brot 467
Dienstag, 23.1.1945: Beschuss 468
Ein menschenleeres Dorf 469
Mittwoch, 24.1.1945: Ruhe in der Scheune 469
Unter Beschuss 470
Zwei Kundschafter 471
Die alte Polin 472
Donnerstag, 25.1.1945: »Umzug« 473
Wir lassen uns im Dorf nieder 474
Schweinebraten und Kartoffeln 475
Das Wiedersehen mit Leon Latrowski 477
Freitag, 26.1.1945 477
Die Russen sind da! 478
Menschliche Gestalten am Horizont 479
Weiße Reiter 480
Ein Pferdewagen: Es geht weiter 481
Noch eine Soldatin 483
Die Pferde schaffen es nicht mehr: Die Gruppe löst sich auf 483
Ich lasse mich auf einem Grenzstein nieder 485
Ein russischer Soldat mahnt zur Umkehr 485
Eine Tasse Kaffee 486
Verzweifelt 487
Endlich ein Städtchen 488
Von Soldaten aufgehalten 488
Auf der Suche nach einem Schlafplatz 489
Gemütlich im Sessel 490
Gänsebraten 492
Wir stoßen mit den Russen an 493
Vorbereitung für die Nacht 494
Warme Kleidung 495
Schabbat, 27.1.1945: Warmer Kaffee wird serviert 496
Meine alten Schuhe 497
Wir verlassen das Städtchen 497
An diesem Ort war gekämpft worden 498
Ein weiteres Städtchen 499
Auf der Suche nach Kollaborateuren 501
Ballast auf dem Weg 501
Das erste polnische Dorf 502
Im Bauernhaus 503
Sonntag, 28.1.1945 505
Ein unstillbarer Hunger 506
Montag, 29.1.1945 506
In der Kommandantur in Lubliniec 507
Die Gruppe löst sich auf 508
Dienstag, 30.1.1945 509
Auf einem Militärlaster 510
Tschenstochau 511
Radom ist befreit 511
Mittwoch, 31.1.1945: Doch kein Schienenverkehr 512
Nur noch zu zweit 512
Der Mann aus Jaworzno (Neu-Dachs) 513
Der Hunger lässt nach – Fragen kommen 514
Eine Nacht in Amstow 515
Beim jüdischen Bäcker 516
Ein jüdischer und ein russischer Soldat 517
Donnerstag, 1.2.1945 517
Der Flughafen von Amstow 518
Die Trennung von meinem Kameraden 518
Ein freundlicher Empfang 519
Freitag, 2.2.1945 520
Der Priester auf dem Gutshof 520
Auf dem Kohlewaggon 521
Eine improvisierte Heizung 521
Auf dem Bahnhof von Radom 522
Schabbat, 3.2.1945 524
Das Haus in der Moniuszki-Straße 4 525
Sonntag, 4.2.1945 526
Nachwort 529
Kurzbiografie 531
Glossar 533
Karten 540
Edition Papierblatt 543
Tabellarischer Lebenslauf
25. April 1923
Geburt in Radom. Vater Szlomo Papirblat, geboren 1893 in Zwolen, Gamaschenmacher, Schuhmacher für elegante Damenschuhe; Mutter Selda, geborene Huberman, geboren 1900 (oder 1897) in Radom. Mordechai erhält seinen Vornamen in respektvoller Erinnerung an Mordechai Huberman, den Vater seiner Mutter
1925
Geburt des Bruders Chaim Leibisch
1926 – 1929
Besuch des Cheder, der religiösen Grundschule
1929 – 1934
Besuch einer liberalen jüdischen Schule
1929
Geburt der Schwester Chaja Riwa (Chajale)
1931
Geburt des Bruders Awraham Jizchak (Awramale)
Anfang 1934
Umzug in die Hauptstadt Warschau, Mirowska Nr. 7
1934 – 1939
Besuch einer liberalen jüdischen Schule und einer Jeschiwa, einer religiösen Talmudschule
1936
Bar Mitzwa
Dezember 1936
Geburt der Schwester Zipa Scheindl (Scheindele)
1. September 1939
Beginn Zweiter Weltkrieg; deutscher Angriff auf Warschau. Das Haus der Familie wird zerstört; Mordechais Familie und andere Verwandte ziehen zu Mordechais Großeltern, Mirowska Nr. 13
28. September 1939
Kapitulation Warschaus; deutsche Besatzung; Beginn der antijüdischen Gesetzgebung: Mordechais Schule wird geschlossen, seine Eltern dürfen nicht mehr arbeiten
5. Oktober – 7. Dezember 1939
Mordechai ist bei Verwandten in Radom
Winter/Frühling 1939/40
Er leistet Zwangsarbeit in Warschau, um zum Unterhalt der Familie beizutragen; die Versorgungslage in Warschau ist immer noch katastrophal
Mai – Ende September 1940
Familie Papirblat verbringt den Sommer in Jablonow auf dem Land bei der Familie der Schwester des Vaters (Rajca Wajngarten)
Ende September 1940
Rückkehr der Familie nach Warschau
Anfang Oktober 1940
Einrichtung des sog. »Jüdischen Wohnbezirks in Warschau«, dss Warschauer Ghettos. Die Familie wohnt bereits innerhalb des sog. kleinen Ghettos in der Mirowska Nr. 13
Ende April 1941
Mordechai flieht aus dem Warschauer Ghetto. Er fährt mit dem Dampfschiff auf der Weichsel bis Regow, geht zu Fuß über Gniewoszow nach Jablonow zur Schwester seines Vaters (Rajca Wajngarten). Er übernimmt Hilfsarbeiten im Dorf und unterrichtet die Söhne in der Thora
Mai 1941
Mordechais Mutter Selda bricht sich bei einem Fluchtversuch über die Ghettomauer ein Bein, wird gefasst und zurück ins Ghetto gebracht
Mai 1941
Hungertod des Vaters Szlomo im Warschauer Ghetto. Er wird 48 Jahre alt
Juni 1941
Chaim Leibisch und Chaja Riwa fliehen durch den Abwasserkanal aus dem Warschauer Ghetto und erreichen versteckt in einem Zug und zu Fuß Jablonow
Mordechai und seine Geschwister übernehmen Hilfsarbeiten bei Bauern der Umgebung
Juli 1941
Mutter Selda und Awraham Jizchak fliehen aus dem Ghetto. Sie geben sich als polnische Christen aus, nehmen den Zug bis Radom und können auf einem Karren bis Jablonow mitfahren, wo sie völlig ausgezehrt ankommen
Zipa Scheindl muss im Ghetto zurückbleiben (Waisenhaus). Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Wahrscheinlich stirbt sie dort 1941 oder im Vernichtungslager Treblinka 1942. Sie wird höchstens 6 Jahre alt
2. August 1941
Mutter Selda kommt nicht mehr zu Kräften. Sie stirbt im Alter von 41 oder 44 Jahren in Jablonow und wird auf dem jüdischen Friedhof in Zwolen beigesetzt
September 1941
Mordechais Geschwistern geht es immer schlechter und der Winter steht bevor. Mordechai organisiert eine Fahrgelegenheit für die Geschwister nach Radom zu Tanten mütterlicherseits:
Chaja Riwa und Awraham Jizchak werden von Tante Perla Kolender, geborene Huberman aufgenommen. In Radom ist bereits das Ghetto eingerichtet. Das weitere Schicksal von Chaja Riwa, Awraham Jizchak und den anderen Radomer Verwandten ist nicht bekannt. Wahrscheinlich sterben sie im Ghetto, bei der Deportation oder in Treblinka bzw. Auschwitz. Awraham Jizchak wird 12/13 Jahre alt, Chaja Riwa 10/11 Jahre
Chaim Leibisch wird von Surale Grojsbaum, geborene Huberman aufgenommen. In Opatow ist bereits das Ghetto eingerichtet. Das Schicksal von Chaim Leibisch ist nicht bekannt. Wahrscheinlich stirbt er 1942 im Alter von 17 Jahren bei der Liquidierung des Ghettos Opatow, bei der Deportation oder im KZ Treblinka – gemeinsam mit seinen Verwandten
Mordechai bleibt bei Tante Rajca Wajngarten, geborene Papirblat und ihrer Familie in Jablonow
1. Januar 1942
Einrichtung des Ghettos in Garbatka. Mordechai und seine Verwandten müssen dorthin. Er verrichtet Zwangsarbeit. Die jüdische Ghetto-Polizei deckt ihn. Da er aus dem Ghetto Warschau entflohen ist, hat er keine gültigen Papiere. Auf Flucht aus einem Ghetto steht die Todesstrafe
12. Juli 1942
Deportation von 300 polnischen und 75 jüdischen Zwangsarbeitern nach Auschwitz. Mordechai wird als 75. der Gruppe zugeteilt. Transportnummer 16211
13. Juli 1942
Ankunft im Stammlager Auschwitz I. Häftling Nummer 46794. Bis Januar 1943 Zwangsarbeit in verschiedenen Arbeitskommandos
Januar – Sommer 1943
Häftling in Auschwitz II-Birkenau, Zwangsarbeit
Sommer – 14. November 1943
Häftling im neuen Lagerbereich von Auschwitz II-Birkenau (»Bauabschnitt 2«), Zwangsarbeit
14. November 1943
Überstellung ins Stammlager Auschwitz I
15. November 1943 – 17. Januar 1945
Häftling im SS-Arbeitslager Neu-Dachs bei Jaworzno, Außenlager des KZ Auschwitz, Zwangsarbeit
17. – 21. Januar 1945
»Evakuierung« des Lagers angesichts des Vormarschs der Roten Armee: sog. Todesmarsch von Jaworzno über Laurahütte, Beuthen, Gleiwitz, Peiskretscham bis ins bereits verlassene KZ Blechhammer, ein Außenlager des KZ Auschwitz
23. Januar 1945
Mordechai und 19 weitere Häftlinge fliehen aus dem KZ Blechhammer. Sie verstecken sich im Wald und dann in einer Scheune.
26. Januar 1945
Begegnung mit den ersten russischen Soldaten. Krieg und Holocaust sind zu Ende!
26. Januar – 2./3. Februar 1945
Rückweg nach Radom: Zu Fuß über Lubliniec, Tschenstochau, Wloszczowa und Amstow. Auf einem Güterzug über Kielce und Skarzysko-Kamienna nach Radom
3. Februar – Anfang Mai 1945
In Radom. Unterkunft in einem stattlichen Haus mit mehreren Wohnungen und einem großen Garten in der Moniuszki-Str. 4. Es hat ursprünglich Juden gehört, wurde dann von Deutschen besetzt. Jetzt quartieren sich jüdische Überlebende ein. Das Haus der Familie Papirblat steht nicht mehr. Von Familienmitgliedern fehlt jede Spur. Er fertigt erste Aufzeichnungen, Notizen, Listen von Daten, Namen, Ereignissen und vielen Details aus der Zeit des Holocaust an
Anfang Mai – 4. Juli 1945
In Kielce, Planty Nr. 7, Haus der Hachschara zur Vorbereitung auf ein Leben im Kibbuz in Erez Israel. Eine Gruppe von 27 Überlebenden bildet sich (Pluga Lacherut, deutsch Einheit »Zur Freiheit«); Josef Zwi Halperin (1922 – 2010) führt die Gruppe, Mordechai wird zum Sekretär gewählt. Bei einem Pogrom Anfang Juli ermordet ein polnischer Mob zwei junge Frauen der Gruppe
4. Juli 1945
Die Pluga Lacherut (25 Personen) verlässt Kielce. Die illegale Flucht wird von der jüdischen Organisation »Bricha« geleitet
4. Juli – 3. August 1945
Mit dem Zug von Kielce (Polen) über Krakau nach Kattowitz. Dort erhalten sie gefälschte Repatriierungsdokumente vom »Roten Kreuz«. Sie sind angeblich griechische Flüchtlinge auf dem Rückweg in ihre Heimat. Mit dem Zug bis Zebrzydowice. Dort über die tschechische Grenze nach Bretslaw und weiter über Bratislawa (Slowakei) bis Budapest (Ungarn). Dreiwöchiger Aufenthalt in Budapest in Räumen der jüdischen Gemeinde
3. August – Ende September 1945
Mit gefälschten Papieren als italienische Flüchtlinge – Mordechai Papirblat ist Mauricio Peperoni – mit dem Zug über Szombathely nach Szentgotthard. Ein ungarischer Schleuser führt die Gruppe zu Fuß über die Grenze nach Jennersdorf (Österreich; Burgenland: sowjetisch besetzt). Ein österreichischer Schleuser bringt sie nach Fehring (Steiermark: britisch besetzt). Mit dem Zug nach Graz. Dort mehrwöchiger Aufenthalt im ehem. Ursulinenkloster, ein britisches Lager für sog. Displaced Persons (DP)
Ende September – Ende Oktober 1945
Mit dem Zug über Bruck nach Villach. Versteckt in einem Güterzug mit italienischen Flüchtlingen bis Tarvis (Italien). In Militärlastern bis Udine (UNRRA DP-Lager) und weiter nach Padua (UNRRA DP-Lager). Am 24. Oktober mit dem Zug über Mailand (Merkaz Hagolah) nach Reggio Emilia
Ende Oktober 1945
Mordechai und 21 Personen der Pluga Lacherut (drei junge Frauen haben unterwegs die Gruppe verlassen) erreichen Reggio Emilia, Villa Terrachini, Cavozolla-Straße, wo die Bricha ein Zentrum zur Vorbereitung der illegalen Einwanderung nach Palästina unterhält: Hachschara »Hamored«
Ende Oktober 1945 – 9. Januar 1946
Vorbereitung auf das Leben in Erez Israel und auf die illegale Einwanderung in das britische Mandatsgebiet Palästina. Die Pluga Lacherut verbindet sich mit anderen; sie sind jetzt ca. 50 Personen
9. – 17. Januar 1946
Illegale Überfahrt auf der Enzo Sereni; 908 Personen. Von Vado Ligure/Italien aus entlang der italienischen Westküste, vorbei an Korsika, durch die Straße von Messina/Sizilien, vorbei an Kreta, Rhodos, nördlich um Zypern herum bis Haifa
17. Januar 1946
Das Schiff wird von der britischen Royal Navy aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
18. Januar – 5. Februar 1946
Landung in Haifa. Überführung ins Sammellager der britischen Mandatsregierung in Atlit am Mittelmeer.
28. Januar 1946
Eine neue Verordnung der britischen Mandatsregierung führt dazu, dass die Passagiere der Enzo Sereni gültige Einreisepapiere erhalten. Sie sind jetzt freie Bürgerinnen und Bürger des Mandatsgebiets. Die Pluga Lacherut und andere beschließen in den Kibbuz Gescher zu ziehen. Der Kibbuz stimmt zu und heißt sie willkommen
5. Februar 1946
Fahrt um den Bergrücken des Karmel, vorbei an Jagur und Afula durch die Jesreel-Ebene über En Harod ins Jordantal nach Gescher
5. Februar 1946 – 2. Februar 1947
Mitglied (Chawer) im Kibbuz Gescher im Jordantal: Arbeit in der Vieh- und Landwirtschaft, im Wasserkraftwerk Naharajim
2. Februar 1947
Das Kibbuzleben sagt Mordechai nicht zu. Er verlässt den Kibbuz und zieht in die Stadt Tel Aviv am Mittelmeer; Tagelohnarbeit auf dem Bau
März – Ende 1947
Sechs monatige Lehre als Schriftsetzer bei der Tel Aviver Tageszeitung »Haboker« (deutsch »Der Morgen«). Danach Anstellung
Zweite Jahreshälfte 1947
Niederschrift seiner Lebenserinnerungen von August 1939 bis Januar 1945 in Tagebuchform. Dazu ordnet und ergänzt er seine zahllosen Notizen aus Radom
1. Januar 1948
Mordechai wechselt als Schriftsetzer zur Tageszeitung »Jedi’ot Acharonot« (deutsch »Neueste Nachrichten«), Tel Aviv
14. Mai 1948
Ende des britischen Mandats über Palästina. Gründung des Staates Israel
14./15. Mai 1948 – Januar 1949
Unabhängigkeitskrieg bzw. Erster Arabisch-Israelischer-Krieg. Mordechai ist mit der Givati Brigade in der Wüste Negev stationiert. Er erleidet eine schwere Verwundung und tritt eine längere Rehabilitation an. Dort trifft er auf Aaron Schoschany (ehemals Rozencwajg), einen Großcousin, dessen Vater bereits 1919 nach Palästina ausgewandert war
Ende 1949
Rückkehr nach Tel Aviv und zur Arbeit bei der Zeitung »Jedi‘ot Acharonot«: Schriftsetzer und Layout der Seiten (mise-en-page), Layout der Titelseite
1954
Heirat mit Sima, geborene Goldfarb: 1930 in einem Dorf bei Lublin/Polen geboren; September 1939 Flucht in die Sowjetunion; auf der Flucht sterben ihre Mutter und Geschwister; 1945 Rückkehr mit dem Vater nach Polen; 1952 Auswanderung mit dem Vater nach Israel
1955
Geburt des ersten Sohnes Shlomo; er erhält den Vornamen des Vaters von Mordechai
1955
Er verfasst Gedenkblätter für seine Eltern und Geschwister (Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem)
1961
Geburt des zweiten Sohnes Zvi
1989
Er verfasst Gedenkblätter für seine Eltern und Geschwister (Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem)
1990
Ruhestand
1992
Reise nach Polen an die Orte seines Lebens und Leidens; seine beiden Söhne und mit sein Großcousin Aaron Schoschany begleiten ihn
1994
Er übergibt seinem Sohn Shlomo das Manuskript seiner Aufzeichnungen von 1947. Bis dahin hat er mit niemandem über das Manuskript gesprochen
1995
Sein Buch erscheint: »Der Karpfenschmuggler – 900 Tage in Auschwitz« (Hebräisch). In der Folge Einladungen zu Vorträgen in Schulen, an Universitäten, beim Militär, in Firmen, in Kibbuzim und zu sog. »Vorträgen im Wohnzimmer«
1996
Das Buch von Josef Zwi Halperin erscheint: »Der Weg in die Freiheit 1945 – 1946« (Hebräisch). Es beschreibt den Weg von Kielce bis in den Kibbuz Gescher. Mordechai hat wesentliche Erinnerungen beigesteuert
1999
Er verfasst Gedenkblätter für seine Verwandten (Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem)
2008, 2013
Gast in Shavei Zion/Israel und 2019 in Maalot/Israel bei Zedakah e.V.
2012
Tod der Ehefrau Sima in Tel Aviv
2015
Auf Einladung von Zedakah e.V. zu Vorträgen in Deutschland (Gemeindeabende, Schulen)
2016
Start der Homepage www.papierblatt.de mit Lebensberichten jüdischer Holocaust-Überlebender und Unterrichtsmaterialien. Der Name ist in Anlehnung an Mordechai Papirblat gewählt
2020
Deutsche Ausgabe des Buches: »900 Tage in Auschwitz. Tagebuch eines Holocaust-Überlebenden«. Band 1 der »Edition Papierblatt«
Glossar (vgl. Buch S. 533-538)

Martin Klinger, Thorsten Trautwein

Arier, arisch
Die nationalsozialistische Rasseideologie unterscheidet zwischen „Ariern“ und vor allem „Juden“. Ab 1935 wird amtlich nicht mehr von „Ariern“, sondern von einer „Person deutschen oder artverwandten Blutes“ bzw. von „deutschblütig“ gesprochen.
Arisierung, arisieren
Bezeichnet die nationalsozialistische Enteignung v.a. der Juden.
9. Aw, Tischa beAv
Der neunte Tag des Monats Aw im jüdischen Kalender. Es ist ein Fast- und Trauertag, an dem der Zerstörung des Jerusalemer Tempels gedacht wird.
Blockältester
Ein Funktionshäftling, der die Aufsicht und Macht über die Insassen eines Blocks hat.
Effektenlager
siehe Kanada-Lager
Gebetsmantel, Tallit
Ein viereckiges Tuch aus Wolle, Baumwolle, Leinen oder Seide. An seinen Ecken hat er vier lange weiße Fäden (Zizijot, Schaufäden, Quasten), die mehrfach geknotet sind und an die Gebote Gottes erinnern (vgl. 4. Mose 15,37-41; 5. Mose 22,12). Der Tallit wird bei der Bar Mitzwa und beim Morgengebet getragen.
Gebetsriemen, Tefillin
Zwei schwarze lederne Gebetskapseln, die mit Lederriemen versehen sind. Die Kapseln enthalten auf Pergament geschriebene Texte der Tora. Eine Gebetskapsel wird am linken Oberarm, die andere über der Stirn getragen. Sie erinnern daran Gottes Gebote zu beachten (vgl. 2. Mose 13,9.16, 5. Mose 6,4-8; 11,18). Sie werden beim Morgengebet getragen.
Gestapo, Geheime Staatspolizei
Eine politische Polizei, die einer eigenen Rechtsprechung folgte. Sie diente der Bekämpfung von Gegnern des Nationalsozialismus, die sie in Schutzhaft nehmen und in Konzentrationslager einweisen konnte.
Ghetto
Im Nationalsozialismus nicht nur ein abgesondertes Wohngebiet für Juden, sondern ein Sperrbezirk, in dem Juden gesammelt, ihre Arbeitskraft ausgebeutet, sie durch Mangelernährung und Krankheiten getötet bzw. in die Vernichtungslager deportiert wurden.
Goj, Goijim, gojisch
Hebräischer Begriff, der ursprünglich „Volk“ bedeutet, dann aber für Nichtjuden verwendet wird. Es ist auch möglich, dass ein Jude einen anderen so bezeichnet, um dessen Verhalten als „nicht jüdisch“ abzuwerten.
Jiddisch
Im Hochmittelalter aus der mittelhochdeutschen Sprache und hebräischen Begriffen entstandener jüdisch-deutscher Dialekt. Nach der Vertreibung und Auswanderung der Juden aus Deutschland im Hoch- und Spätmittelalter entwickelte sich die Sprache in Osteuropa weiter, wo sie slawische Sprachelemente aufnahm. Dort blieb sie bis in die Neuzeit Alltagssprache der Juden (Aschkenasim).
Jom Kippur, Versöhnungstag
Höchster jüdischer Feiertag, der im Herbst zehn Tage nach Rosch haSchana gefeiert wird. Religiöse Juden erinnern sich an diesem Tag an die Versöhnung mit Gott (vgl. 3. Mose 16,29-30). Der Tag wird zur Buße und Reue als strenger Fastentag begangen.
Judenrat
Von den nationalsozialistischen Besatzern geschaffenes Gremium von führenden Juden, das einerseits das Leben der Juden z. B. in einem Ghetto regeln musste, gleichzeitig aber den Besatzern z. B. bestimmte Kontingente von Zwangsarbeitern liefern musste.
Kaddischgebet
Eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Es ist ein Heiligungsgebet, das im Wesentlichen eine Lobpreisung Gottes darstellt. Es wird auch beim Totengedenken und am Grab gesprochen.
Kanada-Lager, „Kanada“
Im Effekten- bzw. Kanadalager wurden die geraubten Besitztümer der inhaftierten Häftlinge gelagert, von Häftlingen sortiert und für die Weiterverwendung vorbereitet. Ein Effektenlager bestand in Auschwitz neben dem Stammlager, ein sehr viel größeres in Birkenau (30 Baracken).
Kapo
Funktionshäftling, der auf Befehl der SS andere Häftlinge beaufsichtigt (z. B. bei Arbeitskommandos). Die Häftlinge sind ihm ausgeliefert.
Kibbuz
Das hebräische Wort bedeutet „Versammlung“. Es bezeichnet eine Gemeinschaftssiedlung in ländlichen Gegenden, die von den Mitgliedern basisdemokratisch bewirtschaftet und verwaltet wird.
Kol Nidre
Traditionelle Formel, die an Jom Kippur gesprochen wird. In dieser werden alle unaufrichtig gesprochenen Eide und Gelübde für unwirksam erklärt.
Ladino
Eine seit dem Mittelalter ausgebildete romanische Sprache der südeuropäischen und nordafrikanischen Juden (Sephardim). Sie enthält Wörter aus dem Hebräischen und Aramäischen, aber auch des Arabischen, Türkischen, Italienischen, Griechischen, Französischen und slawischer Sprachen.
Lagerkapo
Der oberste Funktionshäftling in der Häftlingshierarchie eines Lagers war der Lagerälteste oder Lagerkapo.
Muselmänner
Bezeichnung in der „Lagersprache“ für Häftlinge, die extrem abgemagert, entkräftet und krank waren. Sie fielen meist Selektionen zum Opfer und wurden ermordet.
Pessach, Passa-Fest
Fest im Frühjahr, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten (Exodus) und an ihre Errettung durch Gott während der 40-jährigen Wanderungszeit in der Wüste erinnert (vgl. 2. Mose 12,1-28). Es ist ein Familienfest, das mit Gebeten und einem Festmahl begangen wird.
Postenkette
Ein Ring von Wachposten (Wachturm, Besatzung mit Maschinengewehren) außerhalb des elektrischen Lagerzauns, der das Stammlager bzw. das Lager Birkenau umgab, wurde kleine Postenkette genannt. Ein zweiter Bewachungsring aus Wachtürmen, die sog. große Postenkette, umgab sowohl das Stammlager als auch Birkenau.
Purim
Fest, das an die Errettung des jüdischen Volkes vor der Vernichtung durch einen persischen Herrscher erinnert (vgl. Ester). Es wird als Freudenfest begangen und ähnelt dem christlichen Karneval.
Rabbiner, Rebbe
Ein jüdischer Gelehrter, der die Tora auslegt und sich im Talmud auskennt. Er entscheidet in religiösen und oft auch in rechtlichen Fragen. Zudem achtet er darauf, dass das Leben der Gemeinde und ihrer Einrichtungen den jüdischen Vorschriften entspricht.
Rosch haSchana, Neujahrsfest
Fest des neuen Jahres nach dem jüdischen Mondkalender. Es erinnert an die Weltschöpfung bzw. an die Erschaffung Adams. Das Fest wird mit Gebeten und festlichen Mahlzeiten begangen. Traditionell wird das Schofar (Widderhorn) geblasen. Es liegt im Herbst.
Schabbat
Der Schabbat ist der 7. Tag und damit der Ruhetag innerhalb des jüdischen Wochenrhythmus. Er beginnt und endet nach jüdischer Anschauung mit dem Sonnenuntergang (Freitag- bis Samstagabend). Dieser Tag ist allein Gott gewidmet. Darum soll nach traditioneller Vorstellung jede Arbeit an diesem Tag ruhen (vgl. 2. Mose 20,8-11).
Schächter
Jüdischer Metzger, der Tiere entsprechend der jüdischen Reinheits- und Speisegebote schlachtet. Zu diesem Beruf gehören neben praktischen auch religiöse Aspekte.
Schawuot, Wochenfest
Es ist ein Erntefest und erinnert an die Gabe der Zehn Gebote an Mose. Es wird 50 Tage nach Pessach gefeiert (vgl. 2. Mose 34,22; 5. Mos 16,9-12).
Schejgez
Jiddisch für einen nichtjüdischen Mann. Männliches Gegenstück zur „Schickse“.
Schickse
Jiddisch für eine nichtjüdische Frau, dann auch für ein „leichtes Mädchen“.
Schoa
Der hebräische begriff heißt „Katastrophe, großes Unglück“. Er wird verwendet, um die religiösen Anklänge des begriffs „Holocaust“ zu vermeiden. Der griechische Begriff „Holocaust“ heißt wörtlich übersetzt „vollständig verbrannt“ und stammt aus dem Opferkult.
Sonderkommando
Die (v. a. jüdischen) Häftlinge, die die Leichen ermordeter Menschen aus den Gaskammern zu den Verbrennungsöfen oder -gruben bringen und verbrennen mussten. Zuvor entfernten sie den Leichen, was „verwertbar“ war (z. B. Goldzähne). Sie waren von den anderen Häftlingen getrennt untergebracht und wurden in unregelmäßigen Abständen ermordet, damit sie ihr „Wissen“ nicht weitergeben konnten.
Sukkot, Laubhüttenfest
Ursprünglich ein Erntedankfest im Herbst, das an die Wüstenwanderung des Volkes Israel erinnert. Es wird eine Woche lang gefeiert und ist mit Gebeten und Gottesdiensten verbunden (vgl. 3. Mose 23,34-43). Es ist fünf Tage nach Jom Kippur.
Talmud
Sammelbegriff für eine wichtige Schriftengruppe des Judentums. In ihr werden die Gebote und Weisungen der Tora für den Alltag ausgelegt.
Talmudschule, Jeschiwa
In ihr studieren (männliche) Juden die Tora und ihre Auslegung (v. a. Talmud).
Tora
Hebräischer Begriff für die fünf Bücher Mose. Die Tora ist der Kern der jüdischen Überlieferung und enthält die religiösen Grundtexte des Judentums (Schöpfungsmythen, Erzählungen sowie ethische und Ritual-Gebote).
Volksdeutscher
Nationalsozialistischer Begriff für einen deutschstämmigen Einwohner eines anderen Landes.

Personenregister mit biografischen Angaben

»Mordechai Papirblat – sein Leben ist ein Denkmal«

08.12.2019

Schuldekan Thorsten Trautwein zeigt die Lebenslinien des Namensgebers unseres Papierblatt-Projekts auf: Die Kindheit in Polen, Ausgrenzung, Verfolgung, Ghetto und KZ. Dann der Todesmarsch, die Flucht, die Auswanderung in seine heutige Heimat Israel. Dort baute er sich als letzter verbliebener Träger des Namens Papirblat ein neues Leben auf, bekam Kinder, Enkel und Urenkel. Ein Schicksal, das den Verstand herausfordert und das Herz bewegt.

Was gibt mir Kraft zum (Über-)Leben?
Jenseits und diesseits der Grenze des Menschlichen

29.7.2020

Anhand der Lebensgeschichte und aus der Begegnung mit Mordechai Papirblat fragt Schuldekan Thorsten Trautwein, was Papirblat den Holocaust überleben ließ, wo doch das Sterben „normal“ gewesen wäre.
Ein Online-Seminar der Ev. Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald.

Mordechai Papirblat im Video

»Mein Name ist ein Denkmal«, sagte er.
Mordechai Papirblat war der einzige, der nach dem Holocaust noch diesen Nachnamen trug, nach dem deswegen auch unser Projekt benannt wurde.
Papirblat war in Auschwitz und floh während des »Todesmarschs«.

0:00 - 1:21:41Vortrag am 21. Juli 2013 in Shavei Zion, Israel
0:00 - 1:27:11Vortrag am 13. Oktober 2015 in Bad Liebenzell, Deutschland