Der Hauptreferent der Papierblatt-Projektpräsentation am 28.6.2018 in Calw, Prof. Dr. Reinhold Boschki von der Universität Tübingen, machte die Ursprünge seiner akademischen Laufbahn an biografischen Aspekten fest: Der im Schwarzwald Aufgewachsene erfuhr von den Schattenseiten seines eigenen Wohnorts und dem Schicksal des Juden Paul Niedermann, der lange nicht über die traumatischen Ereignisse berichten konnte, später aber als Zeuge gegen Klaus Barbie, den sogenannten »Schlächter von Lyon« aussagte und in der Folge immer wieder Vorträge hielt.
Antisemitismus sei in Deutschland ein historisches, aber auch ein aktuelles Problem, so Professor Boschki. Auch der Gründer der Uni des katholischen Theologen war ein ausgemachter Antisemit: der berühmte württembergische Herzog Eberhard im Bart (1445–1496). Und in den letzten Jahren sei eine drastische Zunahme judenfeindlicher Tendenzen zu beobachten, so sei der Anteil antisemitischer Webseiten um 40 Prozent gestiegen und Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Schichten zu beobachten.
Als Pädagoge könne er angesichts dieser Zahlen dennoch nicht ohne Hoffnung leben. Holocaust-Bildung wie durch das »Papierblatt«-Projekt sei wichtig, wenn die Zeitzeugen nun langsam durch den größer werdenden zeitlichen Abstand zum Geschehen verstummen. Erinnerung helfe, die Menschenrechte auch in der Gegenwart und in Zukunft zu schützen. Am Ende zitierte er den 2016 verstorbenen Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel, mit dessen Lebenswerk er sich beschäftigt: »Erinnerung ist ein anderes Wort für Hoffnung«.