Interview am 21. Juli 2013 in Shavei Zion, Israel
Josef Kalmanovicz wurde 1925 im damals polnischen Smorgon geboren. Bis 1939 besuchte er die jüdische Schule, und nach der russischen Besatzung noch zwei Jahre die russische Schule. Als 1941 die Deutschen einmarschierten, musste seine Familie – wie alle Juden – ins Ghetto übersiedeln. Josef Kalmanovicz wurde zur Arbeit bei einer deutschen Stellungsgruppe eingeteilt, wo es ihm recht gut ging. Später arbeitete er beim Eisenbahnbau und als Holzfäller. Als man 1943 begann, alle Juden zu vernichten, floh Josef Kalmanovicz und schloss sich einer russischen Partisanengruppe an. Dass er neben Polnisch auch Deutsch und Russisch sprach, und außerdem technische Fähigkeiten besaß, war für ihn von großem Vorteil. Nach dem Kriegsende besuchte er neben der Arbeit her noch eine Abendschule und absolvierte ein Zahnarztstudium. 1956 konnte er aufgrund eines polnisch-russischen Abkommens nach Warschau übersiedeln. Ein Jahr später wanderte er nach Israel aus, wo er 1959 eine Kollegin heiratete.
Josef Kalmanovicz wurde am 15. April 1925 in Smorgon (Anm.: auch Smarhon) geboren. Bis 1939 besuchte er die jüdische Schule. Dann wurde die Stadt von Russen besetzt, und er ging noch weitere zwei Jahre auf die russische Schule. 1941, als die Deutschen kamen, mussten alle Juden ins Ghetto übersiedeln.
Ab Juli 1941 arbeitete er in einer Stellungsgruppe mit acht bis zehn Mann. Weil dort niemand in der Küche stehen wollte, brachte ihm ein anderer Mann, der auch Josef hieß, das Kochen bei. Aber das war nicht so bequem wie heute – erst musste man Wasser vom Brunnen und Holz holen, bevor man mit Kochen anfangen konnte. Doch es ging ihm dort gut, sagt Josef Kalmanovicz. Die Männer behandelten ihn freundlich und gaben ihm regelmäßig Brot für die Familie mit.
Im September 1942 schickte man alle Jugendlichen in ein Arbeitslager. Er selbst landete bei einer Kasseler Firma, die Eisenbahnschienen von Minsk nach Wilna (Anm.: heute Vilnius) verlegte. Später arbeitete er auch als Holzfäller.
Am 8. Juli 1943 brachte man seine Eltern um. Josef Kalmanovicz war zu der Zeit 10km entfernt an seinem Arbeitsplatz. Die Gestapo hatte den Auftrag gegeben, die Juden zu vernichten. Sie warfen die Menschen lebend in die Gruben und schossen dann auf sie. Danach kamen dieselben Deutschen auch zu dem Lager, wo Josef Kalmanovicz arbeitete. Doch die etwa 20 Männer aus diesem Lager sollten nicht umgebracht, sondern nach Wilna deportiert werden.
Bis September 1943 war Josef Kalmanovicz im Wilnaer Ghetto. Als auch dort die Juden liquidiert werden sollten, gelang ihm die Flucht. Einige Zeit versteckte er sich alleine in den Wäldern und bettelte auf Bauernhöfen um Brot. Die Bauern gaben eigentlich immer gerne, schildert Josef Kalmanovicz seine Erfahrung. Nur Arbeit wollten sie ihm nicht geben, denn alle hatten große Angst vor den harten Strafen die man ihnen für den Fall, dass sie Juden Unterschlupf gewähren würden, angedroht hatte.
So streifte er einige Monate durch die Gegend, bis er auf eine russische Partisanengruppe traf. Aber auch die Partisanen wollten ihn nicht gleich aufnehmen, obwohl er ihnen seine Geschichte erzählte, dass er Jude und vor der Liquidation geflohen sei. Doch sie hatten Angst davor, dass die Deutschen ihn geschickt haben könnten, und weigerten sich zunächst. Schließlich haben sie ihn aber aufgenommen. Nicht zuletzt deshalb, weil er sowohl gut Russisch als auch gut Deutsch sprach.
Bei dieser Gruppe blieb er, bis sie sich 1944 mit der russischen Armee vereinigte. Man brachte sie nach Minsk, wo sie verschiedenen Einheiten zugeteilt wurden. Einige wurden an die Front geschickt.
Die russische Armee bekam von den Amerikanern Fahrzeuge geliefert – aber nicht fertige, sondern nur die Bauteile, um sie vor Ort zusammen zu bauen. Da meldete er sich für die Werkstatt, und musste somit nicht an die Front. Josef Kalmanovicz arbeitete dort bis 1945.
Als der Krieg vorbei war, arbeitete er tagsüber und lernte abends. Er besuchte die Universität und beendete 1956 sein Zahnarztstudium. Sein Glück war, dass zu dieser Zeit der russische Präsident Chruschtschow mit der polnischen Regierung ein Abkommen schloss, dass alle polnischstämmigen Bewohner Russlands nach Polen zurückkehren können. So kam Josef Kalmanovicz im Dezember 1956 nach Warschau.
Nach Israel kam er im April 1957. Da es in den Städten keine Arbeit für ihn gab, schickte man ihn zunächst in verschiedene Kibbuze, wo er je nach Wochentag abwechselnd Dienst tat. Ein halbes Jahr später bekam er dann eine Stelle in Tel Aviv, wo er die ganze Zeit am gleichen Ort als Zahnarzt arbeiten konnte
Im Jahr 1959 heiratete Josef Kalmanovicz eine Kollegin. Zusammen haben sie eine Tochter und einen Sohn. Die Tochter lebt inzwischen in den USA, der Sohn ist noch in Israel.
2012 verkaufte er die Wohnung, in der sie als Familie gelebt hatten, und zog in ein Altersheim, wo er jetzt sehr zufrieden ist. Seine Frau war schon 2003 gestorben.
Über die Einladung von Zedakah nach Shavei Zion ins Haus »Beth El« hat sich Josef Kalmanovicz sehr gefreut. Er beschreibt das Haus als schön und sauber, und die Menschen seien hier sehr freundlich.
Josef Kalmanovicz ist es wichtig, die jungen Menschen wissen zu lassen, dass er auch auf viele anständige Deutsche in dieser schweren Zeit getroffen ist. Gerade zu den Männern in der Stellungsgruppe, die seiner Familie immer wieder zu helfen versuchten (s.o.) hatte er eine gute Beziehung. Ebenso im Arbeitslager: Es gab Deutsche, die zuschlugen, um die Menschen zu noch schnellerer Arbeit anzutreiben – aber es gab auch freundliche. Josef Kalmanovicz kann nicht bestätigen, wenn andere sagen, die Deutschen waren alle schlecht, denn seine Erfahrungen waren andere.
Im Haus »Beth El« fühlt er sich insgesamt sehr wohl, doch in seiner Gruppe seien sehr unterschiedliche Menschen. Er versteht es einfach nicht, warum manche aus Kleinigkeiten ein großes Problem machen oder immer nach etwas zu kritisieren suchen. Mit manchen sei er befreundet, mit anderen möchte er lieber keine Geschäfte machen, bringt es Josef Kalmanovicz auf den Punkt. Dagegen lobt er die Mitarbeiter sehr. Alle seien sie ohne Ausnahme sehr gut.
Von den anderen Besuchern im Haus kannte er niemanden, bevor er nach Shavei Zion kam.
Sein Alter nimmt er mit Humor. Er freut sich, dass sein Kopf noch so gut funktioniert, auch wenn mit 88 Jahren mal das eine oder andere gesundheitliche Problem auftritt.
In Deutschland war er mehrmals in München und in Bad Reichenhall im Urlaub.
Zusammen mit seiner Frau hat er 20 Jahre in einer Praxis der Krankenkasse gearbeitet. Allerdings verdiente er da deutlich weniger wie als freier Arzt. Zusätzlich im gleichen Ort eine private Praxis aufzumachen wurde ihm verboten, deshalb ging er ganz aus der Krankenkasse raus und praktizierte nur noch als privater Zahnarzt.
Er bezeichnet sich nicht als religiöser Jude, aber es stammten doch alle – Juden, Christen und Araber - doch von dem gleichen Gott ab, wenn es denn einen gibt. Man müsse einfach versuchen, friedlich zusammen zu leben, so Josef Kalmanovicz. Er denkt, man muss den Palästinensern auch etwas Land geben, damit sie da leben können. Aber immer, wenn man etwas ausgehandelt habe, dann kämen wieder neue Forderungen von irgendeinem Politiker. Er meint, Israel sei ein kleines Land, aber es würde für alle reichen. Dabei vergleicht er Israel und Deutschland, wie sich beide Länder nach dem Zweiten Weltkrieg aus nichts ihren Wohlstand aufgebaut hatten.