Vortrag am 27. Januar 2017 in Bad Liebenzell, Deutschland
Pavel Hoffmann, 1939 als Sohn eines jüdischen Ärzte-Ehepaars in Prag geboren, kam mit vier Jahren zusammen mit seiner Mutter ins KZ Theresienstadt. Sein Vater war schon zuvor von der SS hingerichtet worden, und auch seine Großeltern väterlicherseits hatte man bereits nach Auschwitz deportiert. Nach wenigen Wochen im Lager starb seine Mutter und der vierjährige Pavel war ab diesem Moment völlig auf sich allein gestellt. Die gesamte Verwandtschaft mütterlicherseits, die in einem seit 1938 zu Ungarn gehörenden Landesteil beheimatet war, wird 1944 nach Auschwitz deportiert. Nur ein Onkel überlebte.
Im Februar 1945 kam Pavel Hoffmann mit dem sogenannten »Schweizer Transport« nach St. Gallen. Ein jüdisches, tschechisches Ehepaar adoptierte ihn, und kehrte mit ihm im Juli 1945 nach Prag zurück. Später studierte er Nachrichtentechnik. Seit 1971 lebt er in Reutlingen, wo er u.a. als Dozent und Entwicklungsleiter arbeitete. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, vier Enkel und eine Urenkelin. Seit 1999 besucht er regelmäßig Schulklassen und tritt bei Veranstaltungen auf, weil es ihm wichtig ist, dass die Menschen aus der Geschichte lernen und sich dem wiedererstarkenden Antisemitismus widersetzten.
Pavel Hoffmann begrüßt die anwesenden Gäste.
Bevor Pavel Hoffmann von sich erzählt, möchte er die Ursachen schildern und erklärt, warum Zeitzeugen wichtig sind. Er hat zwei Diktaturen erleben müssen, eine nazistische und eine marxistische – und beide waren stark antisemitisch. Wenn man vom Zweiten Weltkrieg spricht, sind es eigentlich zwei Kriege: zum einen der Krieg, den Hitler gegen die Welt führte, und der Krieg, den er gegen die Juden führte. Das Prinzip des Todes gegen das Prinzip des Lebens – und in diesem Krieg standen die Juden Europas alleine da. Der Nationalsozialismus war die radikalste Revolution, ein rein ideologisches Auflehnen gegen die Menschlichkeit. Bei allen anderen Völkermorden war das Motiv ein realistisches – es ging bspw. um Land oder Macht. Bei der Shoa war der Völkermord auf reiner Phantasie aufgebaut. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wollte man die Menschen eines Volkes vollständig vernichten, nur weil sie geboren waren.
Die europäische Kultur besteht aus den Säulen Athen und Rom und der Säule Jerusalem. Wenn ein gewöhnlicher Bürger vor zwei Jahrhunderten überhaupt ein Buch besaß, dann war das die christliche Bibel. Sowohl das Alte wie das Neue Testament wurden in der Hauptsache von Juden geschrieben. Auch wurde vor 3.000 Jahre mit den Zehn Geboten die Grundlage für viele spätere Verfassungen von Juden gelegt. Wenn die Nazis gegen die Juden vorgingen, vernichteten sie also einen zentralen Bestandteil des europäischen Abendlandes. Pavel Hoffmann meint, wenn Jesus Christus nicht in Judäa geboren wäre, sondern 1900 in Polen, dann hätte Jesus auch dort den Tod in einer Gaskammer gefunden.
Pavel Hoffmann gehört zu den jüngsten Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt haben. Er berichtet seit 15 Jahren in Schulen und ist Mitglied in Vereinen von Holocaustüberlebenden.
Es waren verschiede Gründe, die ihn dazu bewogen haben, in die Öffentlichkeit zu gehen. Neben seinem Alter war es auch das Schicksal der Familie seines Vaters, das er erst vor 15 Jahren vollständig aufklären konnte. Ein weiterer Grund war, dass so unfassbar viele Mitglieder seiner Familie allein deshalb getötet wurden, weil sie Juden waren. Alleine in der Familie seiner Mutter waren es vier Generationen, die in den Gaskammern von Auschwitz zusammen umkamen.
Ein weiterer starker Beweggrund, der ihn dazu gebracht hat, Vorträge zu halten, ist der aktuell wieder in Europa und vielen Staaten der Welt wachsende Antisemitismus und erstarkendes rassistische Gedankengut, das zu jener Katastrophe geführt hat. Er möchte Vorurteilen gegen Juden und auch den Holocaust-Leugnern entgegentreten. Er möchte aber nicht nur aufklären, sondern auch warnen.
Um den Einfluss der damaligen Propaganda zu zeigen, zitiert Pavel Hoffmann aus dem Brief eines Soldaten von der Front. Der Soldat lebte bis dahin friedlich mit den Juden zusammen. Er war in Weißrussland dabei, als 2.273 Juden erschossen wurden. Er schrieb seiner Frau, dass ihm zuerst die Hand zitterte, später schoss er ohne Probleme auch auf Säuglinge, weil er sich vorstellte, dass dies die Juden auch bei seiner Familie machen würden.
Die Juden wurden nicht nur in einem Land, sondern überall gezielt gesucht und vernichtet – das war einzigartig. An Pavel Hoffmanns Familie kann man das sehen. Die Familie seines Vaters lebte 1918 im damaligen Sudetenland. 1940 wurde aus der Tschechoslowakei das Protektorat Böhmen und Mähren. Die Familie seiner Mutter lebte in einem südlichen Grenzgebiet der Tschechoslowakei, das nach dem Münchner Abkommen 1938 zu Ungarn gehörte und später der Ukraine zugeschlagen wurde. Die Sowjets betrieben später in diesem Gebiet schonungslose Siedlungspolitik: Nachdem die dort lebenden Juden tot waren und man die Ungarn vertrieben hatte, siedelte Stalin dort eine Million Russen an.
Pavel Hoffmann zeigt ein Bild des Hauses seines Großvaters. Er hat es erst vor 15 Jahren entdeckt. So wie er Vieles über seine Familie erst zu dieser Zeit erfahren hat. 1938 wurde das Sudetenland – und somit der Wohnort des Großvaters - durch das Münchner Abkommen an das Deutsche Reich angegliedert. Ab dem Augenblick galten auch die Nürnberger Gesetze. Der Großvater, ein 76-jähriger Arzt, der sein ganzes Leben hindurch deutsche Einwohner behandelt und geheilt hatte, musste dann nach Prag zu der Tochter fliehen. Aber die Hoffnung auf Rettung währte nicht lange, denn nach einem halben Jahr wurde auch die Tschechoslowakei besetzt. Fünf Tage nach der Besetzung wurde Pavel Hoffmann geboren.
Nach der Besetzung hat man die Juden mit Namen und Beruf aufgelistet. Der Großteil der Bevölkerung half dabei. Insgesamt fanden sich 120.000 Namen auf den Todeslisten, auch Pavel Hoffmann als Zweijähriger war darunter.
Sein Vater war Zahnarzt und seine Mutter war Kinderärztin in Prag. Bis 1942 lebten sie unter schwierigen Bedingungen, aber sie haben gelebt. Es gab verschiedene Abstufungen der Diskriminierung: z.B. durften jüdische Kinder nicht in die Schule gehen, Juden konnten nur eine Stunde am Tag einkaufen gehen und sein Vater durfte nicht mehr seinen Beruf ausüben.
Aber als 1942 der stellv. Reichsprotektor, Reinhard Heydrich, bei einem Attentat in Prag schwer verletzt wurde und acht Tage später starb, veränderte sich die Situation. Drei Wochen danach hat man Pavel Hoffmanns Vater, der auch deutsche, in Prag stationierte Soldaten behandelt hatte, zusammen mit 1200 anderen Repräsentanten der tschechischen und jüdischen Wissenschaft und Kultur abgeführt. Sie wurden in einem Stadion erschossen und verbrannt.
Hunderte von Familien waren arisch versippt, d.h. es gab Mischehen zwischen »arischen« und »jüdischen« Personen. Durch eine Scheidung war man zunächst geschützt. Darauf ließen sich ca. 50% der Betroffenen ein. Das Problem waren die Kinder. Bis zum 15. Lebensjahr durften sie bei den Eltern bleiben und waren geschützt. Nach dem 16. Lebensjahr wurden die Kinder den Eltern weggenommen, deportiert und umgebracht. Viele Eltern – oftmals auch der nicht-jüdische Elternteil – gingen bei der Deportation mit.
Drei Monate später hat man Pavel Hoffmanns Großeltern zuerst nach Theresienstadt und dann nach Auschwitz deportiert und sofort in den Gaskammern ermordet. Seine Mutter hat versucht, sich der Deportation zu entziehen. Nichtjüdische Freunde halfen ihr dabei. Aber 1943 wurde auch sie zusammen mit ihrem vierjährigen Sohn mit dem letzten Transport nach Theresienstadt deportiert. Nach drei Wochen starb sie 34jährig aufgrund der katastrophalen Bedingungen, die dort herrschten. Pavel Hoffmann war nun ganz alleine, die ganze Familie Hoffmann war ausgelöscht.
An den Juden betrieb man nicht nur systematischen Mord, sondern auch Raub. Das Haus des Großvaters fiel nach dessen Tod per Gesetz dem Deutschen Reich zu, so wie alles was die Juden hinterließen. Für die übrigen Bewohner der besetzten Gebiete, die verstarben, galt dagegen das dort übliche Erbrecht. Aber das gesamte Vermögen der Juden wurde eingezogen.
Theresienstadt hatte ursprünglich 4.000 Einwohner, die umgesiedelt wurden. Danach waren im Durchschnitt 50.000 Juden dort. Die Zustände waren somit katastrophal. In den besseren Gebäuden war die Gestapo, die Gendarmerie und die Verwaltung untergebracht. Alle 14 Tage wurden 1.000 Menschen nach Auschwitz weggebracht. Oft waren es die Alten und die Kinder, die dann auch in Auschwitz gleich in die Gaskammern kamen. Nur wer schwere Sklavenarbeit verrichten konnte, hatte die Chance, mehrere Monate zu leben, oder vielleicht auch ganz zu überleben. P. Hoffmann zeigt ein Dokument, von einem Transport, der noch »gut« ausging: von 1894 Menschen haben bis zum Januar 105 überlebt.
In einem Gedenkbuch sind alle 90.000 Juden, die in Theresienstadt und anderswo waren, festgehalten. Die Liste der Befreiten ist klein, viele starben in Auschwitz. Einige sind aber auch schon zuvor in Theresienstadt den Hungertod gestorben.
Nach dem Tod der Mutter war Pavel Hoffmann zwei Jahre bis Februar 1945 in Theresienstadt, ohne deportiert zu werden. Warum weiß er nicht, denn viele Kinder kamen nach Auschwitz. Vielleicht hat sich jemand um ihn gekümmert.
Vor ein paar Monaten hat Pavel Hoffmann herausgefunden, dass ein jüdisches Ehepaar aus der Schweiz den ehemaligen Schweizer Präsidenten, ein Bewunderer Hitlers mit guten Verbindungen zu Himmler, gebeten hatte, Juden zu retten. So haben sie 1.200 Juden in die Schweiz gebracht. Es ist aber nur einmal gelungen, denn als Hitler davon erfuhr, wurde die Aktion sofort gestoppt. Der letzte Lagerkommandant hatte angeordnet, dass keiner in den Transport gehen darf, dessen Verwandte in Auschwitz getötet wurden – weil man Angst vor späteren Racheaktionen hatte. Dennoch passierte nochmal ein Wunder und Pavel Hoffmann konnte als einziger Vollwaise mit dem Transport mit und wurde innerhalb von zwei Tagen in die Schweiz gebracht. Pavel Hoffmann weiß so viel darüber, weil sich der Sohn des jüdischen Organisators an ihn erinnert hat. Viele Juden haben nicht geglaubt, dass sie wirklich in die Schweiz kommen. Aber sie kamen dann in St. Gallen an.
Vor sechs Monaten hat eine Studentin Pavel Hoffmann angerufen. Sie wollte eine Arbeit über diesen Transport schreiben und ihn interviewen. So hat Pavel Hoffmann auch Unterlagen und Fotos aus den Schweizer Archiven bekommen. Obwohl Pavel Hoffmann krank war, hat sich ein kinderloses jüdisches Ehepaar um ihn gekümmert und ihn adoptiert. Keiner ahnte, dass er noch Verwandte gehabt hätte. Zusammen sind sie im Juli 1945 nach Prag zurückgekehrt. Die Schweiz hat später allen überlebenden jüdischen Kindern einen Kuraufenthalt angeboten. Vor dem Krieg lebten 15.000 jüdische Kinder in Prag, 28 davon sind zurückgekommen.
Am Anfang wurden die Juden noch entsprechend der Tradition bestattet. Aber mit der Zeit waren es zu viele – 15 bis 30 pro Tag, so dass man sie nur noch verbrannt und die Asche in Kartons aufbewahrt hat. Bevor Theresienstadt befreit wurde, hat der Befehlshaber Karl Rahm Ende 1944 angeordnet, dass die Asche aus allen 22.000 – noch mit Namen beschrifteten Kartons - in die Eger geschüttet werden. In einem Karton war auch die Asche von Pavel Hoffmanns Mutter.
In Ungarn lebte die Großmutter mütterlicherseits von Pavel Hoffmann und mit ihr 117.000 enteignete Juden in Ghettos. Sie wurden aber nicht ausgeliefert, da der ungarische Ministerpräsident nicht die Erlaubnis dazu gab. Doch als er 1944 abgesetzt wurde, kam eine neue Regierung, die mit Unterstützung von Eichmann und der Gestapo den größten Massenmord während des Zweiten Weltkriegs begangen hat. Innerhalb kurzer Zeit wurden alle 440.000 in Ungarn lebende Juden in Viehwaggons nach Auschwitz deportiert. In den Waggons war auch Pavel Hoffmanns gesamte Familie mütterlicherseits – insgesamt 40 Personen, von der Urgroßmutter bis zum jüngsten Cousin mit zwei Jahren. Sein Onkel, der als Einziger der Familie überlebte, hat ihm erzählt, dass seine Großmutter noch gelebt hat, als sie in Auschwitz ankamen.
Gleich nach ihrer Ankunft wurden die Juden durch Mengele selektiert. Gefangene, die schon länger im Lager waren, gaben ihnen den Rat, die Kinder den Alten zu geben. Warum wussten sie nicht, aber sie folgten dem Rat und die Großmutter nahm den Enkel zu sich. Beide wurde sofort umgebracht. Auch die Mutter des Jungen überlebte die Gefangenschaft nur drei Monate. Einer der tragischen Momente war, dass sein Onkel, der die Gefangenschaft in Auschwitz überlebt hat, ebenfalls Arzt war und mit Mengele an derselben Hochschule studiert hatte.
Als Pavel Hoffmanns Vater erschossen wurde, hat die Großmutter nicht gezögert. Sie kratzte ihr ganzes Geld zusammen und fuhr die 1300 km nach Prag in die ungarische Botschaft. Sie wollte die Mitarbeiter dort bestechen, damit sie Pavel Hoffmann und seiner Mutter ungarische Pässe ausstellen und sie mit ihr nach Ungarn ausreisen können. Aber aufgrund des Drucks der Polizei musste sie wieder unverrichteter Dinge heimfahren – hätte alles geklappt, dann würde Pavel Hoffmann vermutlich heute nicht hier stehen.
Pavel Hoffmann kam mit 50 Jahren wieder nach Theresienstadt. In einer ehemaligen Kapelle sieht er Gedenktafeln, die verschiedene Städte für ihre ermordeten jüdischen Bürger anbringen ließen. Da noch genügend Platz vorhanden ist, beschließt Pavel Hoffmann, dass auch seine Familie dort eine Gedenktafel bekommen soll - was ihm gestattet wird. Und auch der Bürgermeister der Stadt, wo das Haus des Großvaters stand, ergreift von sich aus die Initiative und lässt eine Gedenktafel erstellen und an dem Haus, das einmal Pavel Hoffmanns Großvater gehört hat, anbringen. Dieses Haus hat eine besondere Geschichte: 1943 wurde es von der Gestapo beschlagnahmt, 1950 wurde darin die Stasi untergebracht und heute ist das Innenministerium darin.
Danach stellt Pavel Hoffmann die Mitglieder seiner Familie vor.
Anschließend kommt Pavel Hoffmann auf den modernen Antisemitismus zu sprechen. Er nennt als Beispiele die Ermordung eines jüdischen Journalisten, der 2002 vor laufender Kamera von radikalen Muslimen ermordet wurde, ohne dass auch nur eine einzige islamische Organisation ihren Protest ausgedrückt hätte. Sowie das Attentat bei den Olympischen Spielen 1972, als die gesamte israelische Mannschaft auf bestialische Weise ermordet wurde und man die überlebenden Täter gleich wieder frei ließ, um die arabischen Regierungen nicht zu verärgern.
Er betont, dass es ein Irrtum war zu glauben, dass nach dem Holocaust, der 2/3 aller europäischen Juden und 90% der jüdischen Kinder das Leben gekostet hatte, der Antisemitismus überwunden sei. Nur Monate nach der Befreiung aus den KZs wurden 41 jüdische Häftlinge bei einem Pogrom in der polnischen Stadt Kielce ermordet. Ihnen erging es wie mehreren hundert, in ihre polnischen Heimatstädte zurückgekehrten Juden, die aus Hass und Gier ermordet wurden.
Von den 3,5 Millionen polnischen Juden haben ca. 240.000 den Holocaust überlebt. Von diesen waren vier Jahren später aber nur noch 12.000 im Land; das waren meist die, die sich selbst nicht zu den Juden rechneten.
Die Juden haben ihren eigenen Staat gegründet, auch um sich endlich zu schützen. Viele der Holocaust-Überlebenden wanderten nach Israel aus. In den 60 Jahren seit der Staatsgründung ist es ihnen gelungen, aus einem von Wüste und Sümpfen geprägten Land, und unter ständiger Existenzbedrohung, einen hochmodernen Staat zu formen. Dennoch werden sie immer wieder infolge eines weltweiten Antisemitismus angefeindet. So versuchen über 22 Länder ständig, den Staat Israel und das jüdische Volk zu vernichten. Die Juden müssen sich immer wieder verteidigen und rechtfertigen.
Pavel Hoffmann gibt weitere Beispiele. So habe sich der Antisemitismus seit der Gründung Israels geändert: Er werde nicht mehr – wie noch vor 1945 – offen zur Schau getragen. Aber auch heute sei ein wehrhafter Jude für viele unerträglich. Die Juden sollten in der Opferrolle bleiben, ist die Meinung vieler.
Es gäbe keinen anderen Staat, dessen Vernichtung auch offen von einem UN-Mitglied gefordert würde, so Pavel Hoffmann. Und die anderen UN-Mitglieder würden dies gelassen hinnehmen. In Europa und Deutschland zeige sich der Antisemitismus oft in subtiler Weise bei ungerechtfertigter Israelkritik. Es gehöre heute viel Mut dazu, mit Kippa auf die Straße zu gehen, denn nicht selten wird man beschimpft und angespuckt. Die Synagogen in Deutschland müssen geschützt werden. Im Jahr 2016 hätte eine große Mehrheit des EU-Parlaments nach einer hasserfüllten Rede, in der die Juden wie im Mittelalter beleidigt wurden, begeistert mit standing ovations applaudiert. Weiter kritisiert P. Hoffmann die Nachsichtigkeit gegenüber linkem Antisemitismus in Deutschland und nennt die Entführung des Air France-Flugs-139 durch die linksradikalen Aktivisten B. Kuhlmann und W. Böse 1976 in Uganda als Beispiel. Schon damals hätte man die Befreiungsaktion durch die israelische Luftwaffe stärker kritisiert als die Terroristen und die Entführung.
In den Klassen, die Pavel Hoffmann seit 17 Jahren besucht, haben 90% der Schülerinnen und Schüler noch nie etwas Positives über Israel gehört. Sie kennen nicht den Einsatz Israels bei der Katastrophenhilfe, oder dass die israelische Armee vor Angriffen die zivile Bevölkerung der Gegner warnt. In den meisten arabischen Staaten werden Juden diffamiert und dämonisiert. Da dort kaum Juden leben, konzentriert sich die Kritik auf das gesamte jüdische Kollektiv. Unter dem verharmlosenden Begriff »Israelkritik« wird antisemitische Propaganda betrieben und behauptet, der Holocaust sei eine jüdische Lüge. Regelmäßig wird öffentlich die Vernichtung des einzigen jüdischen Staats auf dieser Welt gefordert und auch angestrebt; für manche gilt dies sogar als Vorbedingung für die Erlangung des Weltfriedens.
Pavel Hoffmann macht aber auch die Erfahrung, dass es viele Unterstützer gibt. So haben 2014 viele deutsche Bürger ihre Verbundenheit gegenüber Israel öffentlich gezeigt.
Aus der Vergangenheit haben Juden und Deutsche unterschiedliche Schlüsse gezogen: die Deutschen wollen nie wieder Krieg und die Juden wollen nie wieder die Opferrolle einnehmen.
Zum Ende zeigt Pavel Hoffmann noch einmal aktuelle Beispiele des Antisemitismus, wie ein hasserfülltes Gebet aus Berlin-Neukölln, antisemitische Demonstrationen, eine Eintragung in arabischer Schrift in einem Gedenkbuch in Theresienstadt, die - wie auch laute Rufe bei einer Demonstration in Stuttgart - die vollständige Vernichtung aller Juden forderte.
Pavel Hoffmann berichtet noch von einer der wenigen Erinnerungen, die er an die Zeit in Theresienstadt hat. Eines Tages kamen mehrere tausend Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren schmutzig und verängstigt ins Lager. Es waren Kinder aus einem anderen KZ. Ihre Eltern hatten einen Aufstand versucht, der nicht gelungen war. Die Erwachsenen wurden daraufhin umgebracht, aber für die Kinder hat England angeboten, sie gegen deutsche Gefangene auszutauschen. Diese Kinder sollten von Theresienstadt nach Palästina ausreisen. Doch der damalige Palästinenserführer, der Großmufti von Jerusalem, hat Hitler aufgefordert, dies nicht zu machen. Die Kinder sollten vernichtet werden, so wie es dann auch geschehen ist.
Pavel Hoffmann spricht noch über die Opfer der Anschläge in Israel.
Pavel Hoffmann richtet seine Botschaft an die Zuhörer, dass es nicht reiche, an das Geschehene zu gedenken. Wichtiger sei, entschlossen gegen jede Form des Antisemitismus vorzugehen. Die Juden haben sich nach dem Holocaust darauf geeinigt, dass sie sich nie wieder der Gefahr der Vernichtung aussetzen wollen.