Papierblatt – Holocaust-Überlebende berichten

News-Archiv 2019

Studienfahrt nach Auschwitz und Krakau vom 3.–7. März 2019

14.1.2019

Weitere Informationen zu dieser Reise finden Sie auf der Website des Schuldekans der Kirchenbezirke Calw-Nagold und Neuenbürg

 

Arbeitslager statt Todeszug: Vortragsabend zum Holocaust-Gedenktag in Bad Liebenzell

14.1.2019, siehe auch auf der Website von Zedakah

Dass er heute einen Hund besitzt, ist eigentlich ein Wunder. Denn die Angst vor den Lagerhunden der KZ-Wärter gehört zum Eindrücklichsten,woran er sich erinnern kann in jener Zeit des Schreckens.Er war damals ein kleines Kind.Und dass er nach Deutschland zu Besuch kommt, ist ebenfalls ein Wunder. Thomas Breuer – Tomi genannt – hatte sich geschworen, nie wieder hierher zu kommen.

Doch eine Partnerschaft seiner Heimatstadt Netanya mit der nordrheinwestfälischen Stadt Gießen führte dazu, dass er als Lehrer 2002 zum ersten Mal nach dem Krieg wieder nach Deutschland kam. 2016 bekam er einen Ehrenpreis der Stadt verliehen und kam mit einigen Kindern und Enkeln erneut zu Besuch. Nun wird er in Bad Liebenzell von seinem Schicksal erzählen. Am Holocaust-Gedenktag, dem 27. Januar 2019, berichtet er in Bad Liebenzell, im Spiegelsaal des Kurhauses, aus seinem Leben, das in jener schrecklichen Zeit begonnen hat, in der die Deutschen jegliches jüdische Leben in Europa auslöschen wollten.

Thomas Breuer mit seiner Frau Edith.

Zweimal hing das Leben von Tomi Breuer am seidenen Faden, der Irrtum eines Bahnangestellten führte ihn nach Wien ins Ghetto, obwohl sein Transport zum Vernichtungslager nach Auschwitz unterwegs war. Später – zur Zeit der Umbrüche in Ungarn, sollte er als jüdischer Teenager ebenfalls ermordet werden, es gelang ihm aber die Flucht.

Tomi Breuer kam am 22. März 1942 in der ungarischen Stadt Debrecen auf die Welt. 1944 pferchte man ihn mit seiner Mutter und seinen Großeltern – sein Vater war schon vorher umgekommen – in einen Güterwaggon, den das »Sonderkommando Eichmann« nach Auschwitz schickte. Einem Zahlendreher ist es zu verdanken, dass der Waggon aber an den falschen Zug gekoppelt wurde und nach Wien fuhr. Mit 150 Leidensgenossen hat er die furchtbare Fahrt überlebt und auch ein ganzes Jahr im Durchgangslager Strasshof bei Wien.

Nach der Befreiung am Kriegsende kehrte er zunächst mit seiner Familie zurück nach Ungarn. Doch in der Zeit nach dem Krieg waren Juden dort – immer noch – verhasst. Nachdem der Ungarische Volksaufstand 1956 von der sowjetischen Armee niedergekämpft worden war, fand sich Breuers Name – er war inzwischen 13 Jahre alt – auf der Todesliste der kommunistischen Machthaber. Eine Lehrerin warnte ihn und mit gefälschten Papieren stieg er in einen Zug nach Österreich. Als Geheimpolizisten den Zug durchsuchten, konnte er abspringen und über die grüne Grenze ins Nachbarland gelangen. Er war wieder in Wien – heimatlos und mittellos.

Doch mithilfe einer jüdischen Zionistenorganisation konnte er per Schiff nach Israel einreisen, in seine neue und endgültige Heimat. Hier war er nicht nur geduldet, sondern willkommen – verfolgte Juden aus aller Welt waren im Land ihrer Vorväter zu Israelis geworden.

Tomi Breuer lernte Hebräisch, machte Abitur und brachte es als Lehrer bis zum stellvertretenden Schulleiter der High-School in Netanya. Sein Engagement führte ihn dann in Begleitung einer Basketball-Mannschaft wieder nach Deutschland, in Netanyas Partnerstadt Gießen. »Ich fühlte mich wie ein Verräter an denen, die ihr Leben im Holocaust gelassen haben«, erzählte er. Doch dann erlebte er die Freundschaft und Wärme einer neuen Generation in Deutschland und wurde sich seiner Verantwortung als Zeitzeuge bewusst.

Gerade gegenüber Schulklassen fühlt er sich besonders verpflichtet und wird neben dem Vortrag in Bad Liebenzell auch einige Schulen im Umkreis besuchen. Das Hilfswerk »Zedakah e.V.« in Maisenbach wird als Mitveranstalter in Bad Liebenzell dabei sein und koordiniert die Besuche von Breuer. Mit einem Altenpflegeheim und einem Erholungsheim macht Zedakah bereits seit fast 60 Jahren einen wertvollen Dienst praktischer Nächstenliebe an Holocaust-Überlebenden im Norden Israels.

Zusammen mit demSchuldekan des evangelischen Kirchenbezirks und dem gemeinnützigenMedienunternehmen »Morija« wurde vor einiger Zeit das Projekt»Papierblatt« ins Leben gerufen, das Interviews und Vorträge mitZeitzeugen als Videos festhält und online zusammen mit didaktischemBegleitmaterial zur Verfügung stellt. Auch der Abend in BadLiebenzell soll diesem Projekt hinzugefügt werden.

Die Veranstaltung am 27. Januar beginnt um 19.30 Uhr, Einlass in den Spiegelsaal ist ab 19 Uhr. Der Eintritt ist frei. Bürgermeister Dietmar Fischer von der Stadt Bad Liebenzell sowie der Landtagsabgeordnete Thomas Blenke (CDU) werden Grußworte halten. Für die musikalische Gestaltung konnte der Liedermacher und Autor Lothar von Seltmann gewonnen werden. Dessen Vater trug denselben Namen – und war bei der SS. Der Sohn nun sieht sich in besonderer Verantwortung, er veröffentlichte zum Beispiel vor drei Jahren ein Buch über »Helene Weinmann«, eine messianische Jüdin, die bei der Gründung von »Zedakah« eine entscheidende Rolle spielte.

 

Volksbank unterstützt Papierblatt mit 1500 Euro

10.1.2019

Im Rahmen der Aktion »SpendenAdvent« schüttete die Volksbank-Herrenberg-Nagold-Rottenburg-Stiftung im Dezember 2018 einen sechsstelligen Betrag an gemeinnützige Einrichtungen unserer Region aus. Wir sind dankbar, dass die MORIJA gGmbH als eine von 120 Organisationen vom Kuratorium ausgewählt wurde und für das Projekt »Papierblatt« einen Betrag von 1500 Euro erhielt. Wir wollen damit speziell die Suche nach Spuren jüdischen Lebens und der Judenverfolgung in unserer Heimatregion Nordschwarzwald intensivieren und den entsprechenden Bereich auf unserer Website inhaltlich und didaktisch ausbauen.

Foto von der Scheckübergabe am 18.12.2018 in Nagold, von links: Ralf Gottschalk (Volksbank), Gabriel Stängle (Experte zum Thema Judenverfolgung im Nagoldtal und Projekt-Mitarbeiter bei »Papierblatt«), Timo Roller (Geschäftsführer der MORIJA gGmbH und Mitinitiator von »Papierblatt«) sowie Martin Graf (Vorstand der Volksbank-Stiftung).